Jetzt liegst Du da gequält im Bett, Dein Schwanz möchte auch nichts von Dir wissen und umgekehrt, was ist passiert? Was für ein Geschreibsel veranstaltet der Morton hier?
Ich sage es, Du liegst mit der Grippe gefesselt im Bett und bemerkst der Wortwahl, liest in einem Buch von Lester Bangs...
Wenn Du Dich dann irgendwann im Winter allein im Bett herumrollst, ist die Situation gekommen, eine Erkältung, die es nicht zulässt aus dem Haus zu gehen. Jetzt hast Du die Möglichkeit tagelang mit tränenden Augen vor dem PC Schirm zu sitzen oder, ganz der Bildungscharmeur, bittest eine ausgewählte Dame Dir doch ein Buch zu besorgen. Vorerst schaust Du Dich im Netz, wo sonst, Du bist zu Hause gefangen und lebst dazu noch in Dortmund, nach einem geeigneten Titel um. Lester Bangs fällt ins Auge, unser alter Schreiberkollege, das alte verstorbene Drogenwrack, schon seinerzeit aufgefallen durch ein relativ jämmerliches Buch über Blondie. Da die Zurechnungsfähigkeit zur Zeit aber unter der von Lester Bangs, zu Lebzeiten, liegt schreibst Du Deinem Mädchen diesen Titel auf.
Das Buch wird gebracht und schon im Durchblättern bemerkst Du den Fehlkauf.
Präsentiert von Greil Marcus, werden uns endlose Respektlosigkeiten und Abgesänge in einem Wortschwall gepredigt, die den Leser einfach nur langweilen oder beleidigen. Lester machte angeblich die Sprache zum Rock´n´Roll, als Leser hat man allerdings den Eindruck er machte lediglich den Versuch sich mit Wortgewaltheiten selbst zu befriedigen. Iggy Pop wird zelebriert und es wird in diese ausgedörrte Gestalt so viel hinein interpretiert, dass es dem Leser zu den Ohren herauskommt. MC 5 was sonst, eine völlig überbewertete Truppe, immer treu dem Motto „Was laut ist, ist gut". Danach die Sache schlechthin, die Troggs werden hier abgefeiert als Blaupause des Macho Rock´n´Roll. Diese ganzen Fakten, der Iggy Fanatismus u.ä., sind aber auch schon vor dem Kauf bekannt. Liest man sich jetzt durch diese endlosen Geschichten und schaut dann weiter, wird dem Leser aber sehr schnell bewusst, wenn es bei Lester Bangs nicht um seine scheinbar fast
sexuell anregenden Idole geht, Iggy, Lou Reed ..., verliert der Autor inhaltlich und textlich die Basis. Artikel über Kraftwerk und Tangerine Dream sind nur eine leere Phrasendrescherei, die Selbstzelebration mit Reminiszenz an John Coltrane ein Witz. Ganz schlecht wird es bei der Filmbesprechung zu „The Incredibly Strange Creatures Who Stopped Living and Became Mixed Up Zombies", ein typischer Ray Dennis Steckler (erst vor einigen Tagen von uns gegangen) Film, Lester Bangs reißt einen Artikel herunter, wie er eines Nachts der Faszination dieses Streifens erliegt.
Die Wahl auf diesen Film ist nicht relevant, es gibt Tausend andere, überzeuge Dich bei youtube, Du kannst Dir diverse Teile von diesem Film dort anschauen. Du kannst aber auch ganz einfach das Incredibly Strange Film Buch von ReSearch checken. Letztgenanntes Buch solltest Du auf jeden Fall besitzen, bevor Du an den Kauf eines gearteten Buches, wie dem von Lester Bangs, denkst.
In den güldenen Punktagen, mitten in England gelandet, scheint Lester Bangs dann komplett aufgeschmissen. Wie üblich bei der amerikanischen Presse kann er nicht korrekt zwischen Punk und New Wave unterscheiden und erliegt dementsprechend den neuen musikalischen Hoffnungsträgern haltlos. Das äußert sich besonders gegen Ende des Artikels darin Backstagebelanglosigkeiten erneut seitenlang, als Beweis für das neue soziale/politische Bewusstsein der neuen Rock´n´Roll Protagonisten, auszuarbeiten. Für Konkretisten erfolgt der Schnitzer jedoch schon zu Anfang der Story. Lester Bangs empfindet das Ende des Rock´n´Roll im Aufstieg der „künstlichen Superstarband"
Cream und sieht in einem Artist wie den Clash eine neue Zukunft. Sorry Lester aber da fällst Du jetzt ausgerechnet auf die Clash herein, Punk, von der CBS schön zum Verkauf aufbereitet, werden sie Jahre später Amerika stonesartig erobern, pünktlich zu Weihnachten ihre dreifach Plattenpakete auf den Markt werfen, der traurige Höhepunkt das Mitmarschieren eines Clash Members bei einer Demo der Pro-Hausbesetzer, selbiges Bandmitglied ist gleichzeitig aber auch Besitzer eines besetzen Hauses !?!
Einige von den Lesern werden mir jetzt unterstellen wollen/können, Lester Bangs hätte das alles nicht wissen können, ihm wäre es nur auf die Musik, auf die Kids bla bla bla... angekommen. Nein schon sehr früh gab es gerade über besagte Band in Deutschland heftige Kontroversen, siehe genügend gute Artikel/Besprechungen in der damaligen/hiesigen Presse.
Woran liegt es an diesem Buch? Lester Bangs kritisiert immer wieder die überhebliche Haltung diverser Gruppen, Led Zep und Stones sind seine liebsten Protagonisten, realisiert aber nicht, dass gerade diese Situation die Stufen für den Erfolg von Schreibern seinesgleichen waren. Cockrock (Lester kommt nicht daran vorbei immer wieder den Namen von Grand Funk unterzubringen) gespielt vor Stadien, voll von pubertierenden Teenagern, bieten den Nährboden für Geschichten wie denen von Lester Bangs. In dem Mythos um seine Person wird bewusst, wie die ganze Pressewelt zur Zeit der Printmedien auf Amerika ausgerichtet war. Zum Zeitpunkt von Lester Bangs waren in Deutschland sehr gute Autoren bekannt, warum nur im deutschsprachigen Raum? Warum haben es nie Autoren der Sounds o. ä. geschafft aus dem deutschsprachigen Raum ausbrechen zu können, H. In Hülsen und D.D. seien nur als Beispiel angebracht. Diese Autoren fingen in Ansätzen wirklich neu an, man war um Auseinandersetzung mit dem Leser bemüht und kannte keine Zurückhaltung. Besagte Autoren schafften es ebenso, wenn nicht besser/wenig gewollter, wie Lester Bangs außerordentlich bemerkenswert/lesenswert am Thema vorbeizuschreiben [nie vergessener Artikel von D.D. über Lou Reed, selbiger findet im ganzen Artikel nur ein mal Erwähnung, der ganze Artikel dreht sich ausschließlich um David Bowie (den findet Lester Bangs aber sowieso langweilig, ebenso wie Todd Rundgren, das hat aber glaube ich nichts mit der Musik zu tun, beide sind einfach intelligenter als die unsäglichen Begleiter von Lester Bangs, wie der überhaupt nicht coole oder intelligente noch lustige J. Geils, geschweige denn, den gehypten Dictators)] und begannen damit einen neuen Schreibstil bzw. eine/n neue/n Herangehensweise/Umgang an/mit den/m Mythos Rock´n´Roll Star.
Nur das, auch sehr aufgesetzte Abgefeier von Lou Reeds „Metal Machine Music", namedropping von John Cage und Captain Beefheart und ständig Miles Davis, letzteren versteht nach eigener Meinung des Autors auch nur Lester, sich selbst als Erfinder des Punk titulierend, selbst, bringt da keine Punkte in der Gesamtwertung. An dieser Stelle zusätzlich auf die alberne homophobe Rockisten „Kill Disco" Attitüde einzugehen wäre mir ,auch im Alter von Lester Bangs, zu flach gewesen, anzufügen ist dazu lediglich, dass der „Bukowski der Rockpresse" mit dieser Einstellung New Wave (Punk ist da wieder etwas ganz anderes) auch nicht verstanden hat.
Mittlerweile wieder gesundet, schreibe ich diese letzten Zeilen, habe das Buch in die Kiste für den Trödelmarkt gelegt und komme zu dem letzten Resümee, Lester Bangs hat immer das Problem gehabt, mehr als viele europäische Schreiber, die prinzipiell dem Gegenüber viel respektloser und auf sich selbst fixierter gegenüberstanden, dem Mythos Popstar zu erliegen. Trotz des Kults um seine Person und seiner damit verbundenen Verdienste diverser wirklich wichtiger Magazine, bin ich der Ansicht,besonders nach dieser Lektüre, Lester Bangs wäre in seinem wirklichen Leben einfach nur gerne ein fetthaariger KISS Fan gewesen, zu Hause am Plattenspieler, zugeraucht, mit einem Tittenmagazin liegend, von einem eigenen „Hengstschwanz" träumend, um den sich alle Groupies drängeln. (Jetzt habt ihr doch noch einige Wörter bekommen auf die Ihr gewartet habt).
Broschiert: 340 Seiten
- Verlag: Bittermann; Auflage: 1 (30. September 2008)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3893201270
- ISBN-13: 978-3893201273
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