Unter die Haut

Auch wenn Jule ihr Debütalbum mit den Worten "ist alles gut" langsam anklingen lässt, weiß man nach den 11 Stücken: Gar nichts ist gut. "es ist nie zu spät für frühstück" ist ein wahnsinnig introspektives Album geworden. Die Hamburgerin lässt alles raus, verpackt es aber in schöne Songs, die von Singer/Songwriter bis Punk ein weites Spektrum abdecken.
Die 11 Stücke sind schwer melancholisch oder bereits depressiv. Wer weiß das, die Grenze ist ohnehin fließend. Jule lotet diese Grenze aus. Und dann ist da auch noch die Wut, die nun mal beizeiten in der Tür steht.
Ein Album voller Gefühl. "Und das Gefühl ist ein Gefühl und das war's", meint Jule lapidar. Es ist kein einfaches Album. Wenn dann ein Musikmagazin 9 von 10 Punkten für Spaß am Hören vergibt, wirkt das auf eine Art falsch, andererseits aber auch sehr richtig.
"es ist nie zu spät für frühstück" macht sprachlos, kann aber für viele Menschen das Sprachrohr sein für Worte, die sie selbst nicht finden können.

Jules Debüt erschien letzten Freitag bei Zeitstrafe.

instagram.com/ubahnstreik

Oehl du Fröhliche

Was'n das? Der etwas andere Popsänger Oehl reiht sich in die lange Reihe einfallsloser Künstler ein, die ein Album kurz vor Weihnachten veröffentlichen. Ist das seine Idee oder auf sanften Druck der Plattenfirma entstanden?
"Dunkle Magie" erscheint heute bei Grönland Records und wird beworben als Weihnachtsalbum für die ganze Familie. Am Start steht nun die Single "Als wir uns liebten", die auf einer älteren Idee basiert, die Oehl bereits auf einem früheren Album hatte. Langjährige Oehl-Fans müssen nun eigentlich ein wenig enttäuscht sein, auch wenn es ein schöner Song ist. Allerdings hatte man den Österreicher nicht auf dem Zettel, wenn man an Weihnachtsalben dachte. 
Was solls? Wem nun wirklich nichts einfällt für seine Lieben zu Weihnachten. Bitteschön: Dann halt "Dunkle Magie".

oehlmusik.com

Sie will ja gar nicht viel

Paula Carolina hat bisher eine erstaunlich vielfältige Karriere hingelegt. Über einige Stile ist Paula im Punk angekommen. Oder ist es doch eher Indie? Oder NDW? Pop? Darüber kann man stundenlang diskutieren. Oder tanzen. Oder zuhören.
Denn da steht auch ein Mensch, der was zu sagen hat, wie sie im letzten Jahr mit dem Song "Angst frisst Demokratie" bewies. Für den Output der letzten Jahre wird Paula belohnt mit einer großen Fangemeinde, die Festivalauftritte der Mittzwanzigerin heftig abfeiert.
Jetzt wird es aber Zeit für das nächste Album. "wild" ist fertig und wird im März nächsten Jahres veröffentlicht. "Gib mir dein Geld" ist die erste Single daraus und hört sich an wie die Coverversion eines Ärzte-Songs. Wie's aussieht, wird es also heiß im März. Und noch heißer im April, wenn Paula Carolina auf Tour geht in gar nicht mehr so kleinen Hallen. Für 40 € bist du dabei. Meine Empfehlung: Gebt Paula das Geld! 

paulacarolina.de

Mensch Anna

annawydraAlso, eins vorweg: Das neue Album von Anna Wydra ist ihr verdammt gut gelungen! Ein Album alternativer Popmusik, das lebt von Akustik-Gitarren, Effekt-Gitarren, schrägen Synthies und coolen Beats. "Lonely motherfucker" streift dabei Folk und Stadion-Pop, bedroom und banger. Und im Mittelpunkt steht die Situation, in der sich Menschen in Annas Alter in dieser Zeit befinden. 
Es ist Anna Wydras zweites Studioalbum. Ein manchmal wuchtiges, manchmal zerbrechliches Statement zur Welt. In einem vielfältigen Sound mit feinen Arrangements wie bei "Only I know", wenn die Klarinette einesetzt, wo in den 80er ein Saxophon stand.
"Lonely motherfucker" macht Spaß, weil die 35 Minuten immer viel zu schnell vorbei sind. Die 11 Stücke der Hamburgerin gibt es auf dem Album gebündelt ab 14. November bei La Pochette Surprise.

annawydra.de

Foto: Jonas Albrecht

Habt ihr 'ne Minute?

In Amsterdam haben sich zwei zusammen gefunden, um überaus elegante Musik zu produzieren. Norah Jane und der Producer Mor.Lov. Auf der EP "A minute" passiert viel zwischen cool Jazz, TripHop, Dub, R&B und Soul. Fünf Tracks, die vor Lässigkeit bersten. Und wenn Norah behauptet, ihre Musik sei "laid-back, melancholic and romantic" ist das wahr wahr wahr.
Dazu die ultracoolen Sounds von Mor.Lov, die Norahs Songideen optimal umsetzen. Die EP wirkt wie eine perfekte Zusammenarbeit zwischen Produzent und Künstlerin. Es gipfelt im "N1 Dub", den Mor.Lov und Groove God Jair Darnoud für Norah Jane produzierten, weil sie versprach, dafür Essen zu holen. Bei so etwas kommen schwere bass lines heraus, warme Synthies und großartig entspannte vocals.
Das alles ist auf 17 EP-Minuten einfach viel zu kurz.
Sehr schade, aber verdammt cool!

norahjane8.bandcamp.com

Nächtens

taralilyDie britische Künstlerin hat im letzten Jahr mit ihrem Debütalbum überrascht. "Speak in the dark" verband R&B, Drum&Bass, Soul, und Jazz mit Sounds des indischen Subkontinents. Auf "Speak in the dark" folgt nun die EP "Quiet nights (Early takes)". Und dieses Werk ist deutlich jazzfokussierter, was exemplarisch der Song "Corcovado"  zeigt. Aber die EP hat erneut diese dunkel-melancholische Seite, die bereits das Debüt aufwies.
"Tropical storm" enstand in Zusammenarbeit mit King Krule, der genau wie Tara in Peckham im Süden Londons groß wurde. Der Track verbindet träumerischen King Krule Sound mit dem manchmal nächtlich-verschlafenen Gesang von Tara.
Stellt man das Debütalbum "Speak in the dark" neben die aktuelle EP erkennt man Gemeinsames, doch auch deutliche Unterschiede, die es sehr spannend machen, den weiteren Weg von Tara Lily zu beobachten.
Die neue EP begleitet eine Tour, die in Deutschland im November leider nur in Berlin und Frankfurt stoppt.

taralily.co.uk

Foto: Reuben Bastienne-Lewis