Poppolitiker auf der c/o pop

Logo c/o popDie Popkomm ist scheintot und wurde abgesagt. c/o pop lebt. Und mehr denn je skizziert die Zusammenkunft am Unrhein eine Kultur im Wandel. Oder was soll der ausgesprochen unkreative Untertitel bedeuten? Pop Culture 2.0.
Erste Lektion: Das Web dominiert mittlerweile die Diskussion um die Popkultur - nicht mehr die Musik. Daran ändern auch die gegenteiligen Beschwörungen nichts. Ist auch nicht schlimm, denn die Popmusik ist bekanntermaßen alles andere als prospektiv. Was wird denn dann eigentlich aus der Popkultur?  

Und was ist das überhaupt? Ist Popkultur dennoch nur Musik inklusive dessen Personal? Gehört das Web X.0 also auch dazu? Oder sogar die so genannten Creative Industries, von denen auch das Ruhrgebiet glaubt, dass es sie braucht, und sich gnadenlos anbiedert? Immerhin lernen wir daraus die zweite Lektion: Popkultur ist etabliert. Weil ihre Pioniere in die Jahre kommen.

Vorbei die Zeiten, in denen der kalkulierte Tabubruch, der nicht sachgemäße Einsatz von Musikinstrumenten, das Frickeln am PC und irgendwelche transzendentalen Erfahrungen durch neue Chemikalien Horizonte erweiterten. Ne, ne, jetzt geht es um Politik - Poppolitik.

Das hat Folgen: Popkultur wird nämlich nach außen nicht mehr nur durch Pop-Musiker repräsentiert, so wie sie sich im ansehnlichen Festival-Teil der c/o pop tummeln, sondern auch durch Funktionäre. Der typische Popkultur-Funktionär und Poppolitiker muss natürlich seine Wurzeln im Musikbusiness haben oder - neuerdings - Blogger sein bzw. irgendwas mit Medien machen.

Erstere wollen sich aber nicht ewig mit modischen oder musikalischen Entgleisungen lächerlich machen, ziehen deshalb irgendwann einen existenzialistischen Anzug (ohne Krawatte), mindestens ein Sakko oder ähnliche Outfits an und beginnen, politisch aktiv zu werden. Sie haben (nur körperlich) deutlich an Volumen zugelegt, schieben ihre Wohlstandswampe mit ernstem Gesicht von Tagung zu Tagung und vertreten die Interessen der Pop-Musiker. Sagen sie. Das Problem ist: Die Pop-Musiker hat niemand gefragt. Niemand hat die neuen Poppolitiker dazu legitimiert, irgendwelche Interessen zu vertreten. Sie haben kein Votum, nicht mal einen Auftrag, höchstens den ihrer (Irgendwas-mit-Medien-)Firma. Sie haben die Wortmacht an sich gerissen und tun nur so, als ob. Diese Leute trifft man dann auf der Convention.

Ich glaube, dahinter verbirgt sich ein Generationenproblem. Poppolitiker sind alle so um die 40, kommen also aus den geburtenstarken Jahrgängen, repräsentieren schon seit Jahrzehnten den kulturellen Mainstream (der sich eben jetzt im Pop offenbart) und suchen verzweifelt nach Wegen, ihren vermeintlich unkonventionellen Lebensstil als Designspießer fortzuführen.
Ihr manischer Selbstverwirklichungsdrang, der im Web und durch Vernetzung eine weitere Stufe zündete, zwingt sie in ein Streben nach Meinungshegemonie, der eine besondere Art von besserwisserischerer Attitüde innewohnt. Resultat sind endlose Diskussionen, in denen jeder Recht behalten will und zum Schluss der einzige Beschluss darin besteht, im Web weiter zu diskutieren. So sind alle zu Bloggern und Kommentatoren geworden. Bloggen und Kommentieren ist die neue Popkultur - bestenfalls noch hintergrundiert durch Fahrstuhlmuzak. Alle ergehen sich in persönlichen Meinungen, wägen Argumente ab, das Für und Wider, debattieren über Moral und Haltung, Kommerz und Macht und Wissen und Urheberrechte und wasweißichnochalles - und kommen doch selten, eigentlich nie, zu einem Ergebnis, mit dem alle zufrieden sind. Denn eines können sie alle nicht: Entscheiden, eine Bewegung formen und Macht ausüben. Lektion drei: Ich fürchte, es geht den Poppolitikern und Schwätzern gar nicht um die Sache - sondern nur um sich selbst. Doch ich hoffe, die c/o pop wird uns eines Besseren belehren.

www.c-o-pop.de/