Im Februar gab sich Anarchist und Quarkdenker Rocko Schamoni in Dortmund die Ehre. Vorausgegangen war die Veröffentlichung einer Greatest-Hits-Konserve, die das ganze Schaffen des Jurassic Punks aus dem Nordland noch einmal kolportiert.
Wir wissen nicht, warum Rocko Schamoni glaubte, plötzlich seine ganze musikalische Geh- und Laufbahn noch einmal unters Zahlvolk zu jubeln, aber irgendwie hat er gut daran getan. Das offenbarte sein Konzert im FZW. Von Beginn an strahlte der Star des Abends mit seiner Little Machine, Tex Strzoda am Schlagzeug sowie Jonas Landerschier an den Tasteninstrumenten, eine Rampenlässigkeit aus, wie man sie sonst nur von Harald Schmidt nach ca. 5000 Late-Night-Shows kennt. Jede Körperfaser sandte nur ein Signal aus: "Leute, ich hab auf der Bühne alles schon erlebt. Trotzdem wird's ein netter Abend, also entspannt euch."
Daran änderte auch eine groupierende KonzerTante nichts, die offenbar aus der Kenntnis aller Schamoni-Hits die Berechtigung ableitete, den relaxten Hanseaten permanent anzuquatschen, anzubaggern oder anzudingsen. Doch das machte den Abend erst recht zum gelungenen Volksmusiktreff, denn der Discoteer nahm die Vorlagen dankbar an und versenkte sie sicher im Skurrilwinkel. Das hatte in Kombination mit Schamonis Ansagen schon fast Helge-Schneidersches-Wusical-Format und vereinte sich zu einer dadaistischen Humormelange mit Erinnerungswert.
Musik gemacht wurde auch. Schamonis Tondichterqualitäten sind Vorbild für eine Vielzahl Bands aus dem Hamburger Emissionsgebiet, was man immer dann spürt, wenn sich die feine hanseatische Ironie mit sinnhaftem Poesismus verknüpft. Das kann nach einer gewissen Zeit und bei manchen Bands auch nerven, nicht bei Schamoni, der seine punkhaften Attitüden souverän in beschwingte und beseelte Popsongs und Chansons transformiert hat. Davon zeugen besonders die Lieder seines letzten Albums, das den schweren Duft der Anarchie versprühte. "Geld ist eine Droge und ihr seid alle drauf". Ein Höhepunkt des Abends.
Doch auch alte Klassiker wie "Sex, Musik und Prügeleien" oder eine dreiliedrige Reggae-Sequenz im Mittelteil waren immer Schamoni pur, reduziert aufs Wesentliche und daher eindringlich genug, um sanft zu schmunzeln oder auch mal nachzudenken (ja, tatsächlich). Und wenn die Band gelegentlich ins kunstvoll Jazzige abrutschte, war das nur der verfrühte Kontrapunkt zum vergessenen Text bei "Berlin Woman", von Schamoni etwas anbiedernd in "Dortmund Woman" umgetextet.
Aber selbst das verzieh man dem musikalischen Perfektionaldilettanten. Der Typ hat einfach ein Echtheitszertifikat. Schamoni darf alles, macht alles und da passt alles. Und wenn es doch mal nicht so passt, ist es genau das, was man erwartet. Kapiert?
Das Bier danach schmeckte großartig. Die KonzerTante stand mit zersehntem Gesicht neben mir an der Theke und wird wohl niemals vergessen, dass sie an diesem Abend Rocko eine Zigarette anzünden durfte. Und auch seinen Kommentar nicht: "Hat keiner gesehen, wie sehr du gezittert hast."
Links:
www.rockoschamoni.de
www.fzw.de