Die Sterne, Alpha Boy School und Astra Kid, Ruhrfestspiele Recklinghausen, 01.05.2004

Ja, ja, ich weiß, es spielten auch noch Schomääh, Samba und schwarz/rot Atemgold 09 auf dem kleinen Ruhrfestspielvolksfestmusikfestival am 01. Mai in Recklinghausen. Aber ich habe sie weder gesehen noch gehört, weil ich zunächst noch Bernd Begemann huldigen und zwischendurch auch mal meinen anderen Daseinsgrundfunktionen nachgehen wollte. Und bevor ich hier irgendwelche Promotexte abschreibe, beschränke ich mich lieber aufs Wesentliche.

ImageZunächst gilt es jedoch, ein Kompliment auszusprechen, nämlich den Dramaturgen dieses kleinen Volksfestes. Nicht nur das ganze Ruhrfestspielmusikprogramm im Laufe des Mai zeugt von einem anständigen Gusto, auch das kleine Eröffnungs-Openair überzeugte durch ein sicheres Gespür für Qualität.

Astra Kid aus Datteln hatten gewissermaßen ein Heimspiel und gleich eine ganze Horde Fans mitgebracht. Ich vermute jedoch, dass sie nicht bezahlt werden mussten. Der schnörkellose Indie-Studentenrock der Kids fährt auch so ohne Umwege ins junge, wilde Herz. Auch wenn ärmelloses Feinripp auf der Bühne immer ein wenig schweißigen Bauarbeitercharme versprüht, wissen die Jungs aus dem Ruhrstadtvorort ihre Herkunft doch gut zu verschleiern - hinter smarten Texten und einer relaxten Bühnenperformance, die nur kurz ins Affektierte abrutschte, als man zum Schluss eine Gitarre herumwarf. Unnötig, denn sie blieb vollkommen intakt. Das nennt man wohl politisch korrekte Rebellion.

Vertraute Songs wie "Mein Leben in 16:9" oder "Parkplatz in Münster" wechselten mit ganz neuen Werken wie "Hologramm", alles immer mit einem entspannten Druck gespielt. Zuletzt sah ich Astra Kid vor einiger Zeit bei einem Akustik-Set im Subrosa in Dortmund und muss gestehen, dass sie mir mit mehr Dampf wie hier in Recklinghausen doch lieber sind. Zum Schluss rundeten die Dattelner ihre Performance mit dem schmachtigen "Du bist Rockmusik für mich" ab. Genau das sind sie auch selbst - nicht mehr und nicht weniger.

Das kann man von Alpha Boy School nicht behaupten. Mit ihren triebigen Ska- und Reggae-Sounds zielen sie nicht nur aufs Herz, sondern auch auf die Beine. Die Alpha Boys verstehen es, den Mob tanzen zu lassen. Zweifellos wäre es jedoch zu einfach, die Musik dieser achtköpfigen Ska-Maschine auf den Pogo zu reduzieren. Dahinter steckt auch eine gute Portion Gefühl für die Seele dieser Musik, die irgendwo jenseits der uns umgebenden Weltmeere rastlos schlummert.

Image

Als wären junge, wilde Herzen und Seele in der Musik nicht schon genug, gab es zum Schluss noch etwas für den Intellekt. Allerdings würde man den Sternen aus der "Hamburger Schule" nicht gerecht, wenn man sie nur auf die Denkerschiene setzen würde. Zwar folgt jeder ihrer Songs dem selbst gewählten Leitspruch, dass die "besten Gedanken die interessanten sind", und auch die Zahl der unbeweglich Musik konsumierenden Denkhornbrillenträger dämpfte ein wenig den Zappeleienpegel. Aber die Sterne können auch einen guten Beat entwickeln, halten und bis zum Groove perfektionieren. Das taten sie. Und mit "Was hat dich bloß so ruiniert?" haben sie eine der zentralen Fragen zur verkorksten Psychologie verbrannter Gesellschaftswracks gestellt. Doch selbst dazu lässt es sich tanzen, zur Not in den intellektuellen Abgrund. Ende Mai erscheint ihr neues Album: Kaufbefehl!

Image

Solltet ihr Mitglied einer der Bands sein, die ich verpasst habe, bettele ich um Verzeihung und komme gerne zu eurem nächsten Konzert (wenn ihr mich auf die Gästeliste setzt). Oder wir treffen uns auf ein Bier, im nächsten Jahr, am 01. Mai, in Recklinghausen, Wiese an der Dorstener Straße - mit Herz, Seele und Intellekt.

Links:
www.alphaboyschool.de
www.astrakid.de
www.diesterne.de
www.ruhrfestspiele.de