Afrika ist Uckermark, nicht Berlin

Jetzt sind die drei Jungs von Cassia aus Manchester in Berlin angekommen. Wie eigentlich jede aufstrebende Band zwischen Australien und Island. Das birgt eine gewisse Langeweile, die auch zu erkennen ist beim Schippern der Band auf Landwehrkanal und Spree.
Beim Umzug nach Berlin ist offensichtlich der afrikanische Touch verloren gegangen, der das Debütalbum "Replica" der jungen Briten aus 2019 geprägt hat. Die neue Single "Don't make a scene" versucht sich in Weichspüler-Sommersounds. Das gelingt Cassia gar nicht so schlecht. "Don't make a scene" ist unzweifelhaft ein Fußmitwipper. Er verwischt aber das ehemalige Alleinstellungsmerkmal: Diese zündende Kombi aus afrikanischen Sounds und englischer Popmusik.
Vielleicht treffen die Drei in Berlin einen Menschen, der ihnen verrät, dass Afrika nur 86 Kilometer nordöstlich vom Alexanderplatz mitten in der Uckermark liegt. Als Ortsteil von Flieth-Stegelitz. Das ist ein kurzer Weg für neue Inspiration hinsichtlich des geplanten Albums, das 2021 erscheinen soll. Da ist also noch Zeit.

www.wearecassia.com

Endlich Alarm

Songs wie "Alarmzustand für Deutschland" sollten wöchentlich veröffentlicht werden. Zum Thema AfD haben sich deutsche Bands und Musiker bisher vornehm zurückgehalten. Den Diskurs überließ man viel zu lang den Rechten. Gut, dass Alarmbaby aus Mannheim jetzt mal die Fresse aufreißen und zurückschreien gegen den nationalistischen Dreck.
Die Band selbst sagt dazu: "Jeder, der aus unserer Geschichte etwas gelernt hat, hat den Auftrag, sich dagegen zu stellen, so laut er kann und mit allem, was er hat. Mit Kopf, mit Herz, mit Körper und Seele."
"Alarmzustand für Deutschland" ist die aktuelle Single der Band um Frontfrau Mary-Anne Bröllochs. Zu finden ist der Song auf dem Album "Killamädchen", das im November vom Label Drakkar Entertainment unter die Leute gebracht wird. Das Album ist laut und heftig und erinnert an Alarmbabys Vorbilder wie Green Day, Queens of the Stone Age, Atari Teenage Riot und The Hives. So kann's weitergehen, Leute!

www.alarmbaby.de

 

Mit der Kraft der Natur

Was aussieht wie ein Clip des Naturschutzbundes, ist das aktuelle Video der britischen Band "Ithaca". Das passt zu Mammal Hands, weil sie Songs schreiben, die "Late bloomer" oder "Rhizome" heißen. Die werden auf dem neuen Album von Mammal Hands sein und nicht nicht nur Hobbybiologen begeistern. Jesse Barrett, Nick und Jordan Smart produzieren auch für das inzwischen vierte Album "Captured spirits" großartige instrumentale Sounds im weiten - mit Sicherheit wildblumenbestandenen - Feld von Electronica, Jazz und Klassik.
Auf "Captured spirits" finden sich oft sinnierende, suchende Songs mit bemerkenswerten Melodien und auch vertrackten Arrangements. Dazu brachen die drei Herren aus Norwich meist nicht mehr als Piano, Schlagzeug und Saxofon oder beispielsweise Bassklarinette wie in "Ithaca". Und zeigen damit, dass sie alle Facetten vom Wohnzimmerkonzert bis zum Großbildleinwandkinosound drauf haben. Manches Mal sogar in einem einzigen Song.

Gönnt euch also ein Gläschen Kräutertee, lehnt euch zurück und genießt "Ithaca", damit ihr euch auf das im September bei Gondwana Records erscheinende Album freuen könnt.

www.mammalhands.com

Tatort Münster

Bin mir jetzt gerade nicht sicher, ob es in Deutschland noch eine weitere verbeamtete Stadt gibt außer Münster. Die Band Soeckers kennt das, denn schließlich sind die Jungs Münsteraner. Trotzdem haben sie sich im März für ein sehr lautes Wohnzimmerkonzert in ihrer Stadt entschieden. Das Konzert endete in einem Polizei-Großeinsatz wegen Ruhestörung, und das Videomaterial zum Konzert blieb erst einmal im Asservatenkeller der westfälischen Gesetzeshüter.
Nach vier Monaten hat die Band das Material zurück erhalten und direkt veröffentlicht. Daher ist der Clip zu "Gute alte Zeit" einerseits ein Musikvideo, andererseits aber auch Doku. Daneben ist das schöne Stück Rock'n'Roll die erste Single von Soekers' Debütalbum. Dies wird "Kopfkarussell" heißen und Ende September bei Chateau Lala erscheinen. Wenn es die Münsteraner Polizei vorher nicht beschlagnahmt und der WDR einen Tatort daraus macht.

www.instagram.com/soeckers

Komm schon, Schatzi...

Ein Bruch mit Schatzi und dann mit den Taschen voll Geld über alle Berge. Diese alte, aber immer wieder schöne Geschichte erzählt uns die Band Schatzi in ihrer aktuellen Single "Glock". Der zugehörige Clip besticht durch coole Gangsterromatik, lenkt nicht von den deutlich unterkühlten Sounds ab, die mit ihrer Minimal-Ästhetik überzeugen. "Glock" besitzt eine dominante bassline, das Schlagzeug ordnet sich unter, die Synthies setzen wichtige Akzente und coole Gitarren finden sich rechtzeitig ein.
Das ist ultralässiger Pop in deutsch von einer Band, die überkommene Bandstrukturen aufbrechen möchte, ansonsten aber wenig von sich preisgibt. Aber so viel wissen wir schon: Drei Jungs mit gutem Geschmack bereichern die deutsche Popwelt und versprechen uns ihre Debüt-EP "Animalia Parc" für den 23. Oktober.

www.instagram.com/schatziofficial/

Beat im Birkenholz

Weiß noch jemand, was Kriegsdienstverweigerer waren? Das waren Menschen, die Musik hörten wie sie heute die junge Hamburger Band Deep Dyed spielt. Das ist Lo-Fi für den Lodenmantel, Beat im Birkenholz. Die erste EP von Deep Dyed atmet den Geist der Sixties. Und hey: Guckt da nicht Jim Morrison hinterm Vorhang hervor?
Die drei Jungs und das Hamburger Mädchen Aylin arbeiten mit kräftigen Gitarren voller Melodien und hängen mit ihren Songs immer sehr gekonnt auf der Kante zwischen verträumt und psychedelisch. Leicht schwebend, eine Handbreit über dem Boden so wie es einst Salman Rushdie ein ganzes Buch lang beschrieb.
Die sechs Stücke der EP hören sich in Gesang und Gitarren absolut harmonisch an, obwohl es Deep Dyed tatsächlich erst seit Oktober 2019 gibt. Die EP war schnell aufgenommen, in Eigenregie und innerhalb einer Woche. Da ist aber nichts zusammengeschustert, weshalb das umtriebige Hamburger Label La Pochette Surprise die Band sofort unter die Fittiche nahm.

Deep Dyed veröffentlichen heute die gleichnamige EP bei La Pochette Surprise.

www.instagram.com/deepdyedband